Schaut hin

Ein Impuls von Pfarrerin Ursula Borchert zum Ökumenischen Kirchentagssonntag 7. Februar 2021

Manchmal geschehen schon merkwürdige Dinge. Mitten im Alltag und oft dann, wenn man gar nichts Besonderes erwartet, an einem Tag so wie immer. Große Besonderheiten kündigen sich oft an, werden lange geplant und entwickelt, bis dann das ersehnte Highlight da ist. Meist hat man sich schon lange darauf gefreut.

Aber das, was uns oft so unverhofft geschieht – ist etwas Anderes. Da passieren Dinge gerade dann, wenn wir das für uns so Normale tun. Mitten auf einem Sparziergang entdecke ich eine Pflanze, die etwas verborgen am Wegrand steht, deren Farbe und Form mich sehr berührt. Beim Einkaufen steh ich an der Kasse und komme mit jemandem ins Gespräch, den ich das erste Mal sehe, und spüre eine bisher nicht gekannte Nähe. Vertieft in mein Lieblingsbuch entdecke ich einen Satz, der mich ganz besonders aufmerken lässt.

Es ist ein Tag wie jeder andere auch, ist es schon spät geworden und die, die den ganzen Tag über zusammen waren, haben Hunger. Es sind eine stattliche Anzahl von Menschen, die den Tag gemeinsam verbracht haben.  Nun sind sie noch unterwegs und entfernt von zu Hause. So erzählt es der Evangelist Markus. Die erste Idee liegt nahe. Alle gehen in die umliegenden Höfe und Dörfer und sehen zu, dass sie sich selbst versorgen. Die zweite Idee ist schon etwas ungewöhnlicher. Die, die die Gruppe begleiten, sollen für ein Abendbrot sorgen. Aber das erzeugt eine Gegenfrage im Hinblick auf mögliche finanzielle Mittel und stößt auf Unverständnis. Die dritte Idee lässt nur noch staunen. Es soll nachgeschaut werden, wieviel Lebensmittel vorhanden sind. „Geht und schaut hin.“ Die ernüchternde Antwort „Fünf Brote und zwei Fische“ lässt schon erahnen, dass die meisten gedacht haben „das reicht nie und nimmer“. Aber kein Lamentieren über das, was nicht da ist. Kein Gedanke daran, dass das doch schon von vornherein klar war. Stattdessen die Bitte Jesu, alle mögen sich in Gruppen zusammenfinden und auf den Boden setzten. Ein Blick zum Himmel und ein Lobgebet. Dann brach er das Brot und gab es Jüngerinnen und Jüngern, die es an alle anderen weiterverteilten. Auch die Fische wurden geteilt. Das lässt staunen.

Und mehr noch: es wurden alle satt, mehr noch, es blieb noch eine ganze Menge übrig!

Schaut hin – was geschehen kann, wenn Menschen aufmerksam werden für das was sie haben.

Schaut hin – wenn man das Notwendige tut.

Schaut hin – es ist weit mehr möglich als man vielleicht gedacht hat.

Schaut hin – zum Hingucken, Staunen, Ideen entwickeln, Wahrnehmen wird eingeladen werden zum 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Ja, er wird stattfinden, wenn auch anders – und angepasst an die Corona-Pandemie.

„Digitaler, konzentrierter und zugleich so dezentral, dass sich auch viele Gemeinden, Verbände und Freunde des Ökumenischen Kirchentages einbringen können. Gerade in Krisenzeiten sind Begegnung, Dialog und Gemeinschaft wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit dem 3. ÖKT bietet sich die Chance, denen eine Plattform zu geben, die ernsthaft darum ringen, unsere demokratische Grundordnung, ein friedliches Miteinander und unsere ökologischen Lebensgrundlagen zu bewahren. Diese Chance soll genutzt werden, denn das Leitwort „schaut hin“ fordert dazu auf, christlich motiviert Verantwortung zu übernehmen“, so das Präsidium.

Der heutige Sonntag soll Mut machen, dabei zu sein – dort wo man lebt mit den Menschen in Frankfurt mitzufeiern. Und hinzuschauen – nach Frankfurt – vor allem aber auch dort wo jeder seinen Alltag lebt.

Schaut hin – und nicht weg!

Von Herzen wünsche ich Ihnen und Euch dabei einen besonderen Blickwinkel, den ein oder anderen Perspektivwechsel, viele kleine Dinge, die ganz unvermittelt im Alltag geschehen und ein Stückchen Himmel auf die Erde bringen.

Markus 6, 35 – 44 Fünf Brote und zwei Fische

35 Und als es schon spät geworden war, traten die Jüngerinnen und Jünger Jesu zu ihm und sagten: „Abgelegen ist der Ort hier, und es ist schon spät. 36 Schicke die Menschen fort, damit sie zu den umliegenden Höfen und Dörfern gehen und sich selbst etwas kaufen, was sie essen können.“ 37 Er aber entgegnete ihnen: „Gebt ihr selbst ihnen zu essen!“ Darauf sagen sie zu Jesus: „Sollen wir etwa gehen und für zweihundert Denar Brote kaufen und ihnen dann zu essen geben?“ 38 Er aber sagt ihnen: „Wie viele Brote habt ihr? Auf, schaut hin!“ Und als sie nachgesehen haben, sagen sie: „Fünf, und zwei Fische“. 39 Und Jesus gebot ihnen, dass sich alle zum Essen legen, Mahlgemeinschaft für Mahlgemeinschaft, auf dem grünen Gras. 40 Und sie ließen sich nieder, Abteilung für Abteilung, zu hundert und zu fünfzig. 41 Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte in den Himmel, sprach das Lobgebet, brach die Brote und gab sie den Jüngerinnen und Jüngern, damit sie ihnen austeilten. Auch die zwei Fische teilte er unter alle. 42 Und es aßen alle, und sie wurden gesättigt. 43 Da sammelten sie die Brotbrocken auf, zwölf Körbe voll, und von den Fischen. 44 Und es waren 5000 Menschen, die gegessen hatten.

(aus: Ökumenischer Kirchentagssonntag Materialheft zum 07.Februar 2021, Seite 7)

Fenster in der Matthäuskirche, Weitmar

Leben will ich,

mit wachen Sinnen in der Welt sein,

mit offenen Augen Menschen begegnen.

Dann passiert es:

Ich sehe, was fehlt –

in meiner Nähe und weiter weg.

Manches macht mir Angst und hinschauen fällt mir schwer.

Wegschauen ist leichter.

Hilf mir, Gott. Gib von deiner Kraft.

Erbarme dich.

Gottes Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.

Jesus sagt es uns: Geht! Schaut hin! Seht nach! Seht weiter!

Dann seht ihr nicht nur, was fehlt.

Ihr seht, was da ist.

 

(aus: Ökumenischer Kirchentagssonntag Materialheft zum 07.Februar 2021, Seite 24/25)

 

Link zu einem Mottolied des Kirchentags: https://vimeo.com/461701643