Uns wird das Warten lang…

Ein Impuls zum 16. Mai 2021 von Pfarrerin Ursula Borchert

Diese Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten sind wieder einmal Tage des Wartens. Ein ganz anderes Warten als das, was uns vielleicht gerade bestimmt - dass uns auf Lockerungen dessen, was unser Leben gerade einschränkt, hoffen lässt.

Diese Tage zwischen den beiden christlichen Festtagen stehen im Zeichen eines ganz anderen Wartens.

Der auferstandene Jesus hat sich noch einmal von seinen Jüngern verabschiedet und ist erhöht worden – weg von ihren Augen gen Himmel gefahren so erzählt es die biblische Überlieferung. Er sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters – so beten wir es im Glaubensbekenntnis – und von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten – auch das wird in diesem alten Worten formuliert.

Was aber ist in der Zwischenzeit? So fragten sich die Jünger damals. Als letzte der vielen Fragen hat Jesus sie beantwortet: in der Zwischenzeit und bis wir uns einmal wieder sehen, sendet Gott euch seinen Heiligen Geist, den Geist der Kraft und des Trostes, der Geist, in dessen Gewissheit ihr leben und glauben dürft. Der Geist der Wahrheit, der bei euch Wohnung nehmen möchte und euch leiten kann auf all euren Wegen.

In diesen Tagen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten ist wieder Wartezeit, bis wir denn diese Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest feiern dürfen, ein Geist, der großartiges und unbeschreibliches vermag. Die Pfingstgeschichte weiß darum, die Menschen in Jerusalem haben es erfahren, und auch der Apostel Paulus kennt diesen Geist Gottes, kann von seinem Wirken erzählen.

Formuliert man das, was Paulus im 8. Kapitel schreibt in unserer Sprache, dann könnte es vielleicht so heißen:

„Durch Jesus Christus, sagt Paulus, sind Christen frei Menschen geworden. Nicht, dass sie tun und lassen können, was sie wollen, sondern sie sind frei von Zwängen, frei von der Macht des Bösen, frei für ein neues Leben als Kinder Gottes – ohne Angst und gegenseitige Unterdrückung. Dieses Leben steht unter der Wirkung des Geistes Gottes, der uns mit diesem Leben nicht allein lässt. Er stärkt uns, kommt uns zur Hilfe, fängts uns auf. Paulus sagt: alle, die sich so von Gottes Geist führen lassen, sind schon jetzt Kinder Gottes. Aber noch leben wir in einer Welt, die voller Leiden und Katastrophen ist. Die Freiheit und die Erlösung und das Ende allen Leidens ist zurzeit nur Hoffnung und noch keine sichtbare Realität. Aber was Gott einmal angefangen hat, das führt er auch zu Ende. Sein Geist ist da, mitten unter uns. Wenn wir nicht die richtigen Worte finden, um mit Gott zu reden, sein Geist tritt für uns ein und bringt vor Gott, was wir eigentlich sagen wollen. Er kennt unser Herz, er versteht unsere Seufzer und auch unser Schweigen. Es bleibt dabei: Gott hat bestimmt, dass wir zu ihm gehören – als seine Kinder und Brüder und Schwestern Jesu Christi. Darauf können wir uns verlassen. Darum wird es gut mit uns ausgehen, was immer wir erleben oder auch erleiden mögen. Gott hat es versprochen und er wird es halten.“

Aber natürlich soll auch Paulus selbst zu Wort kommen, so wie wir es übersetzt in der Lutherbibel lesen können, in den Versen 26 – 30 im 8. Kapitel des Römerbriefes.

 

Zweimal diese Gedanken auch deshalb um zu verdeutlichen, dass es ein sprachliches Meisterwerk ist, über das wir heute nachdenken sollen, das einerseits von „dogmatischen Wolkenkratzern“ wimmelt und andererseits nicht auf Anhieb deutlich ist, wovon Paulus denn hier eigentlich redet.

Weder in der freieren Übertragung noch in der konzentrierten Sprache des Paulus sind diese Sätze unbedingt plausibel. Für das, was Paulus da sagt, gibt es keine empirischen Messmethoden und erst recht keine Beweise. Es mutet recht unwahrscheinlich und eben unbeweisbar an.

Das, was Paulus da als seine Glaubensgewissheit formuliert, ist auch mehr als ein Satzgefüge, das man in kleine mundgerechte Bröckchen auseinanderpflücken kann. Es gehört in einen unendlich weiten und großen Zusammenhang.

Eine weltumspannende und lebensumgreifende Perspektive ist es, die Paulus formuliert. Etwas, das auch in Zeiten des Wartens trägt und hält. Auch wenn Jesus von Nazareth nicht mehr sichtbar unter den Menschen ist, so hört Gott nicht auf, unter uns zu wirken. Gottes Geist, Gottes Gedanken für uns tragen uns. Eben das macht ihn aus. So können wir diese Welt gestalten, uns einsetzen für das, was nicht zerstört und nicht gefährdet werden darf.

Als Paulus diese Worte schrieb hatte er Gemeinden vor Augen, in denen inbrünstig gebetet wurde, mit allen religiösen Visionen, mit Worten und Gefühlen, die den meisten von uns heute fremd sind und auch in hohem Maße befremdlich. Und wenn Paulus davon spricht, dass wir nicht wissen wie wir beten sollen, dann nimmt er uns im selben Augenblick auch ein schlechtes Gewissen darüber ab. Er entlastet uns von jedem Gefühl der Unzulänglichkeit: Jedes schlechte Gewissen ist überflüssig, denn Gott hat uns die Sorge um die richtige Sprache ihm gegenüber abgenommen. Sprachlos vor Gott zu treten ist kein Defizit, er versteht auch unser Schweigen und: der Geist vertritt uns.

Und wieder kommen wir an die Grenze des Beweisbaren. Und wieder dürfen wir sagen, es ist eine Sache unseres Glaubens – irgendwie geheimnisvoll und doch in uns wirksam.

„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ und „wo mein Geist herrscht, da ist Freiheit“. Ich weiß, wie schwer es ist, sich daran immer wieder zu erinnern, wenn die Zeit des Wartens auf Erfolg eines Planes, die Umsetzung einer Idee, ein Projekt, das nach außen hin noch kein sichtbares Ergebnis zeigt, unendlich lang wird.

Aber Gottes Geist in unseren Werken, Gottes Werk in unseren Händen macht es möglich, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

Von Herzen wünsch ich uns allen dieses Vertrauen auf das Leben in der Freiheit im Geiste Gottes, der unser Leben zu einem Fest werden lässt, hier und heute, morgen und überall dort, wo er uns leben lässt. Gott hat es versprochen und er wird es auch halten!

 

 

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Gedanken des Paulus an die Gemeinde in Rom

 

Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt.

 

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.  (Römer 8, 26 bis 30)


Es hilft nichts,

zum Himmel zu schauen

und darüber die Erde zu vergessen.

Es hilft nichts,

ein Schloss in die Luft zu bauen,

Obdachlosen aber

kein Dach anzubieten.

Es hilft nichts,

Gottes Größe jubelnd zu preisen

und die zu überhören,

in denen er selbst zum Himmel schreit.

Tina Willms

(aus: Tina Willms, Erdennah – Himmelweit, S. 73)