Der verlorene Sohn bei den Schweinen (Kees de Kort) https://www.klosterkirche.de/spirituelles-wissen/zeiten/trinitatis/03-trinitatis.php

3. Sonntag nach Trinitatis - 19. Juni 2021

Ein Impuls zum Predigttext aus Lukas 15

von Pfarrerin Ulrike Menzel

Mit Konfirmandinnen und Konfirmanden gehe ich gerne auf die Suche.
Jede und jeder soll losgehen, sich umsehen und einen Zettel  finden, auf dem genau die Zahl steht, die er oder sie suchen soll. Da ist die Freude groß, wenn jemand recht schnell seine Nummer 10 gefunden  hat. Da ist ein gewisser Frust, wenn eine gesagt bekommt: „Ich habe deine Nummer 24 gesehen, ich sage dir aber nicht, wo sie ist.“  Und da macht sich Enttäuschung breit, wenn jemand trotz großer Mühe nicht den Zahlenzettel findet.
Danach lesen wir Begriffe vor, die auf der Rückseite der gefundene Zettel stehen, zum Beispiel: Handy – meine Oma – Schlüssel – Geduld – Geld - Orientierung – Schokoticket – Mut – Spiel – Zettel
Was haben die nun miteinander zu tun?
Der Groschen fällt schnell. Das sind alles Dinge, Sachen oder Menschen, die jemand schon mal verloren hat. Genau. Und wir erzählen uns, wie das war, als wir den Schlüssel oder die Geduld, die Oma oder das Fußballspiel verloren haben. Es fühlte sich nicht gut an, gar nicht gut. Und wie groß ist die Freude und Erleichterung, wenn das Handy nur verlegt war und wieder auftaucht, jemand den verlorenen Schlüssel vorbeibringt oder Hilfe erfährt, wenn man die Geduld zur Lösung einer Aufgabe verloren hatte.
Wie schmerzhaft es doch ist, etwas oder jemanden für immer verloren zu haben.
Wie schön es ist, etwas wieder zu finden.
Wie irritierend es ist, wenn es anderen egal zu sein scheint, wenn sie oder andere etwas verloren haben.
Ein Euro fällt zu Boden und dem Besitzer scheint das egal zu sein. Er lässt die Münze achtlos unter dem Einkaufswagen liegen und holt einen neuen aus dem Portemonnaie. Ein Mensch der mut- und  mittellos dasteht und sich freuen würde, angesehen zu werden, wird dagegen keines Blickes gewürdigt. Der Mensch, der eben noch einen Euro zu viel hatte, hat ihn jetzt nicht übrig, steckt ihn wieder in die Tasche.
Sich selbst verloren zu fühlen, ist wohl das schmerzhafteste Gefühl, wenn wir daran denken, wer oder was alles verloren gehen kann. Wenn du selbst zu den Verlierern zählst, nicht beachtest wirst wie eine Münze, die in den Dreck gerollt ist. Wie die sich freut, wieder aufgehoben zu werden. Sie ist doch was wert. Wie erst recht sich jemand freut, wertgeschätzt und angesehen zu werden, in seiner Verlorenheit nicht fallengelassen zu werden.
Darum geht es bei der biblischen Botschaft des heutigen Sonntags:
Jesus lässt niemanden fallen und im Dreck liegen. Jesus geht höchstselbst auf die Suche nach denen, die von anderen nicht mehr angeschaut und sich womöglich selbst aufgegeben haben. Er sucht und findet die Unbeachteten. Akribisch sucht er und lässt nicht locker, lässt alles steht und liegen und geht dorthin, wo Verlorenes wiedergefunden werden kann:
Wie eines von 100 Schafen etwa, das ausgebüxt ist und nun nicht mehr nach Hause findet und dann doch vom Hirten gefunden und voller Freunde zu den 99 anderen getragen wird.
Wie eine von 10 Münzen etwa, die einer Frau zu Hause verloren und dann, nachdem sie alles auf den Kopf gestellt hat, glücklich und freudig wiedergefunden hat.
Das Gefühl, verloren zu haben, ist im Moment bei vielen sehr stark ausgeprägt. Damit meine ich nicht die Enttäuschung, wenn mal eine Mannschaft ein Fußballspiel verliert. In der Coronazeit haben wir vor allem Kontakte und manchmal auch die Sprachfähigkeit verloren. Viele haben Mut und Kraft verloren. Einige haben nahe Angehörige und der eine oder die andere seine oder ihre Existenz verloren. Das ging und geht ganz tief. Das Gefühl der Verlorenheit war und ist stark zu spüren, die Sehnsucht auch, gefunden zu werden, von anderen und auch von Gott gesehen und gefunden zu werden und wieder auf die Füße und zurück in die Gemeinschaft zu kommen.

Jesu Gleichnisse vom verlorenen Schaf und dem verlorenen Groschen werden da unglaublich aktuell und machen Mut.
Jesus beschreibt sich hier selbst als den, der sich aufmacht, uns zu suchen und zu finden. Und dann, wenn wir selbst stark genug dazu sind, können auch wir uns aufmachen und die Menschen, die gefunden werden wollen, suchen, aufsuchen, besuchen und es zusammen mit ihnen neu versuchen.
Niemand von ihnen ist verloren.

Wochenspruch

„Der Menschsohn ist gekommen,
zu suchen und selig zu machen,
was verloren ist.“

In Gottes Namen


In Gottes Namen
wolln wir finden, was verloren ist,
in Gottes Namen
wolln wir suchen, was verirrt ist,
in Gottes Namen
wolln wir heilen, was verletzt ist,
in Gottes Namen
wolln wir stärken, was geschwächt ist,
in Gottes Namen
wolln wir hüten, was lebendig ist
wie einen Augapfel,
wie mein Kind,
wie eine Quelle
in Gottes Namen.  Amen.


Lied von Friedrich Karl Barth und  Peter Horst

Gebet für den 3. Sonntag nach Trinitatis

Suchender Gott,
unsere Tage
sind voll von deinen Zeichen, Winken,
mit denen du uns aus der Fremde ruft.
Unablässig suchst du uns,
die wir verloren gegangen sind,
und wir finden allein den Weg nicht mehr zurück.

So bitten wir dich für alle,
die nicht mehr nach dir fragen,
die dich nicht vermissen – und doch vermissen,
die sich sehnen nach einer Wahrheit,
die weiter trägt als die eigenen Gedanken.
Herr erbarme dich.

 

Wir bitten dich für alle,
die sich ihrer Sache sicher sind,
die meinen, sich selbst genug zu sein,
die Andersdenkenden und Andersglaubenden
nicht mehr zuhören können.
Herr erbarme dich.

 

Wir bitten dich für alle,
die sich selbst fremd geworden sind,
die gefangen sind in Lebensumständen,
die ihrer Seele schaden,
die gehetzt und getrieben und bevormundet sind
oder zum Stillhalten verdammt.
Herr erbarme dich.

 

Wir bitten dich für alle,
die sich selbst aufgegeben haben und versinken
in einem Tunnel der Angst und der Depression,
im haltlosen Kreislauf von Rausch und Sucht und Enttäuschung,
die nicht mehr aufschauen können.

Herr erbarme dich.

Wir bitten dich für alle,
die vereinsamt sind
in Krankenhäusern und Pflegeheimen
und stillen Wohnungen,
die sich vergessen fühlen,
von niemandem gebraucht
und von niemandem vermisst,
die nicht mehr an deine und unsere
Nähe glauben können.
Herr erbarme dich.

 

Wir bitten dich für uns selbst,
die wir das Nächste,
Deine Nähe, so andauernd übersehen,
die wir nicht antworten,
wenn du dich nach uns sehnst und uns suchst,
und wir sich doch ohne deine Liebe verloren.
Herr erbarme dich.

 

Gefunden von dir
in der Tiefe unserer Gottesferne,
dir nah,
erwacht im Atem deines Geistes,
so lass uns leben mit dir, suchender Gott.
Amen.

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