Gedanken zum Sonntag Jubilate

3. Mai 2020

von Pfarrerin Ursula Borchert

Jedes Mal ein neues Wunder!

Ich fotografiere leidenschaftlich gern – auch in unserem Garten. Eine Fülle von Bildern, Momenten, Eindrücken zu (fast) jeder Tageszeit. Oft ist es eher zufällig. Manchmal ist es aber auch ganz bewusst, wenn ich mal eine Pause brauche oder den Kopf frei bekommen muss von den vielen Dingen, die mich beschäftigen und mir Gedanken mache. Oder wenn ich Abstand brauche von den zahlreichen Fragen, auf die ich Antworten suche.

Da tut es gut, mich auf etwas ganz anderes zu konzentrieren, einen Moment ruhig auf der Wiese zu stehen oder ein paar Schritte zu gehen und mich umzuschauen, genau hinzuhören, zu lauschen, zu schnuppern und auch mal einen Windhauch, einen Regentropfen oder einen Sonnenstrahl auf der Haut zu spüren.

Da vorn flattern schon ein Schmetterling! Auf dem Ast der Kastanien schimpft die Meise, weil ich vor dem Nistkasten stehe und sie dort ihren langen Wurm im Schnabel nicht loswird. Hinter mir höre ich das Platschen des Wassers in der Vogeltränke in dem das Rotkehlchen ein Bad nimmt, auf dem Zaun knabbert das Eichhörnchen die Walnuss aus ihrer Schale. Im Blumenkübel entdecke ich das erste Grün, das aus der überwinterten Dahlie sprießt. Und auf dem Beet entdecke ich die Knospen des Mohns, die sich schon bald in strahlendem Rot präsentieren wird.

Neues Leben bricht auf, vieles wird neu und manches anders als im letzten Jahr.

Ein neuer Anfang, ein kleines Wunder, mag es noch so zart sein.
Mir kommt eine kleine Zeile in den Sinn: “Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Vor Jahren habe ich sie in dem Gedicht ‚Stufen‘ gelesen.
Herrmann Hesse hat es so formuliert.

Neues Leben bricht auf, wenn dort, wo seit einigen Wochen nur unnatürliche Stille und Leere herrschte, in den kommenden Tagen die Spielplätze wieder geöffnet werden dürfen.  – Das ist ein weiterer kleiner wertvoller Schritt auf dem Weg eines neuen Lebens - jetzt in dieser so besonderen Zeit.

Ich freu mich sehr  auf das Lachen der Kinder, die auf der Schaukel dem Himmel ein bisschen näher kommen können. Ich freu mich auf ihr Jauchzen, wenn es geglückt ist, den Ball zu fangen, und das Strahlen in ihren Augen, wenn sie so manches, was sie vermisst haben, wieder erleben und entdecken können. 

Was für ein Reichtum! Welch eine Kostbarkeit! Mit großer Dankbarkeit schau ich mich um und spüre dabei, was die Gedanken des heutigen Sonntags „Jubilate“ sagen möchten – und das nicht nur heute, sondern auch hinein in die neue Woche und die kommende Zeit.

„Jubilate“ – Jubelt, freut Euch über Gottes Schöpfung,

schaut sie Euch an, mit all dem Kleinen, Alltäglichem und Besonderem, was Gott da so wunderbar geschaffen hat! Schaut genau hin auf das, was wir geschenkt bekommen haben zum Leben, und achtet auf Eure Leben und das aller Anderen! Freut Euch darüber und passt gut darauf auf!

So wie Gott es allen verspricht: Ich gab Euch Atem zum Leben, Worte, die Ihr bewahren könnt, Möglichkeiten zu handeln und Stand-Punkte, die Euch Sicherheit geben und von denen aus Ihr die nächsten Schritte wagen könnt. Eure Füße werde ich nicht gleiten lassen, neu sollt Ihr in die kommende Zeit gehen. Ich verspreche Euch: Ich mache alles neu! Nehmt diese Hoffnung mit – in Euren Herzen, in Euren Gedanken, in dem, was Ihr sagt, tut und lasst.

Jubelt und lasst Euch daran erinnern,

dass das, was Gott verspricht, nicht nur von dieser Welt ist, sondern weit darüber hinaus reicht. Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, die Osterhoffnung, die wir vor wenigen Wochen wieder neu gehört haben, möchte uns tragen. 

Ich denke an meinen Konfirmationsspruch – das geht mir oft so in diesem Monat, in dem ich vor einer ganzen Reihe von Jahren mit zu denen gehörte, die einen biblischen Gedanken zugesagt bekommen haben als Wegbegleiter sozusagen. Ich werde immer wieder an ihn erinnert, weil er auch der Vers ist, der uns als Wochenspruch an den kommenden sieben Tagen begleiten soll. Ein Satz aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“

Aussuchen durfte ich ihn mir nicht. Das war bei uns nicht üblich. Lange hat es auch gedauert bis ich mich mit ihm wenigstens ein bisschen angefreundet habe und erahnte, was er bedeuten könnte.
Bis heute ist er immer wieder auch eine Herausforderung.

Und dennoch: ich glaube zu spüren, dass ich dafür dankbar sein kann, dass ich Altes auch hinter mir lassen darf und zulassen kann, dass Neues begonnen hat. Dass ich Abschied nehmen kann und im neuen Anfang dieser Zauber liegt, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wenn Sie und Ihr – so wie ich manchmal  -  wieder mal im Garten oder Balkon stehen oder draußen unterwegs sind oder auch nur aus dem Fenster schauen,  dann wünsche ich uns, dass jede noch so kleine Winzigkeit, jedes liebevolle Detail, jede Melodie, jeder Farbschimmer, jedes hoffnungsvolle und tröstende Wort uns Mut schenkt. Und jedes Lächeln uns zeigen möchte, wie wertvoll unser Leben ist – und wie dankbar wir sein dürfen!

Einen gesegneten Sonntag, eine gesegnete Zeit Ihnen und Euch allen!

Psalm 66 i.A.

Jauchzet Gott, alle Lande!

Lobsinget zur Ehre seines Namens;

rühmet ihn herrlich!

Sprecht zu Gott:

Wie wunderbar sind deine Werke!

Kommt her und sehet an die Werke Gottes,

der so wunderbar ist in seinem Tun

an den Menschenkindern.

Er verwandelte das Meer in trockenes Land,

sie konnten zu Fuß durch den Strom gehen.

Darum freuen wir uns seiner.

Lobet Gott,

lasst seinen Ruhm weit erschallen,

der unsere Seelen am Leben erhält

und lässt unsere Füße nicht gleiten.

Gott gab uns Atem

1. Gott gab uns Atem, damit wir leben.
Er gab uns Augen, dass wir uns sehn.
Gott hat uns diese Erde gegeben,
dass wir auf ihr die Zeit bestehn.

2. Gott gab uns Ohren, damit wir hören.
Er gab uns Worte, dass wir verstehn.
Gott will nicht diese Erde zerstören.
Er schuf sie gut, er schuf sie schön.

3. Gott gab uns Hände, damit wir handeln.
Er gab uns Füße, dass wir fest stehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.

 

EG  432, 1-3

Maiwunsch

Ich wünsche Dir,
dass Gottes schöpferischer Charme
dich anlächelt in diesen Tagen:
Am Morgen
zieht der Mohn
seinen Hut vor dir,
und der Frühlingswind
streicht dir
als himmlischer Gruß
durchs Haar.
Gott freut sich
- da bin ich gewiss -
Wenn du
sein Lächeln erwiderst.

(Tina Willms)

 

gefunden in:
Tina Willms, Am Wegrand: ein Wunder,
Neukirchen-Vluyn 2016, S. 57

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