Unnötige Verschwendung?

Ein Impuls von Pfarrer Andreas Menzel

Zum Gründonnerstag erwarten Sie vermutlich eine andere Geschichte: Jesus feiert mit seinen Jüngern in Jerusalem das Passamahl. Sie sind das letzte Mal so zusammen, und während sie das Erinnerungsmahl an die Befreiung der Israeliten in Ägypten miteinander teilen, entsteht etwas Neues: Jesus teilt das Brot und den Wein und stiftet das Abendmahl:

"Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmt, das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird."

Ein Geschehen voller Hingabe, aus Liebe, kommt hier an sein Ziel. Haben es die Jünger verstanden, konnten sie das überhaupt verstehen, was dort am Abend vor Jesu Tod geschah?

In den Überlieferungen der Passionsgeschichte wird deutlich: Manche der beteiligten Menschen sind verwundert oder verstört und können nicht begreifen, was passiert - dass Jesus, den sie als Vorbild und Lehrer, als Retter und Heiler erfahren haben, auf dramatische Weise sterben muss.

Einzelne hingegen finden ein Zugang zu diesem Geschehen und werden durch das, was sie tun, ganz intensiv mit Jesus und seiner Geschichte verbunden. So ist es mit dieser Frau, die im Evangelium nach Markus namenlos bleibt. Das, was sie tut, ist in mehrfacher Hinsicht spektakulär. Als Frau nimmt sie sich etwas heraus, was ihr eigentlich nicht zusteht: Sie platzt in die Männerrunde hinein und tut dann etwas, das völlig deplaziert scheint: Während Jesus mit den anderen zu Tisch liegt, salbt sie ihn. Sie zerbricht das Gefäß mit dem kostbaren Öl und gießt es Jesus auf den Kopf.

Sie gibt alles, was sie hat. Selbstlos, ohne Berechnung.

Das, was sie tut, durchbricht das normale Leben.

Die Runde am Tisch diskutiert: das ist doch Vergeudung, eine Unsinnige Aktion. Was hätte man mit dem Geld nicht alles machen können? Es sind unterschiedliche Welten, in denen sie sich bewegen: Die Männer am Tisch einerseits - die Frau andererseits. Die Männer sind in der Welt der Fakten zu Hause. Materielle Werte sind dafür da, dass man mit ihnen wirtschaftet. Da ist wenig Raum für Emotionen. Gefühle stören, Gefühle irritieren. Wer ausschließlich mit den sogenannten Richtigkeiten der Fakten rechnet, kann solche Handlungen, wie sie diese Frau vornimmt nicht wert-schätzen.

Jesus empfindet es anders. Denn er spürt und weiß, worum es der Frau geht und er hat eine direkte Beziehung zu dem, was die Frau tut. Er versteht und es tut ihm gut. Er spürt durch das Salböl, dass er bald sterben wird und dass diese Frau um sein dramatisches Ende weiß. Er spürt die Zuneigung, dass sie ihn liebt und an ihn denkt und ihm zur Seite steht. Alles Diskutieren und Berechnen über den Lauf der Welt ist jetzt nicht mehr wichtig. Das zählt in dieser Situation wenige Tage vor seinem Tod nicht mehr. Es zählt die Zuwendung.

Jesus sagt dazu: "Wann immer das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, wird man es sagen zu ihrem Gedächtnis." Aber das ist ja nicht passiert. Wer denkt an diese Frau? Dieses Andenken ist nicht so kultiviert worden wie "zu meinem Gedächtnis" beim Abendmahl.

Für Jesus muss die Handlung dieser Frau eine große Rolle gespielt haben. Er hat an der Grenze seines irdischen Lebens gespürt: Diese Frau hat genau das getan, was hier und jetzt dran ist. Die Frau spiegelt durch ihr Verhalten im Grunde das, was Jesus getan hat: Aus unendlicher Liebe wendet er sich uns zu, gibt sich hin. Wo manche sich bis heute fragen: Was hat das für einen Sinn, dass ein Gerechter am Kreuz stirbt? Dass der allmächtige Gott sich seiner Macht entäußert und ohnmächtig mit sich machen lässt, was selbsternannte Machthaber für richtig befinden. Da müsste er doch anders reagieren, wenn er wirklich Gottes Sohn ist, dieser Jesus. So macht es doch keinen Sinn.

TROTZDEM.

So vieles macht keinen Sinn - damals nicht und heute nicht.
Und doch ist es wichtig, dass Menschen zweckfrei handeln, nicht berechnend, angstfrei, mutig, leichtsinnig, das Unmögliche wagend.
So geht Jesus seinen Weg ans Kreuz. 
Und wer seine Nähe sucht, der spürt den Sinn: die Liebe, die er ist und die er gibt.

 

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried

 

Jesus wird in Betanien gesalbt

Markus 14, 1-9

1 Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote.

Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten,

wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten.

2 Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.

3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch,
da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl,

und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.

4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander:

Was soll diese Vergeudung des Salböls?

5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können

und das Geld den Armen geben.
Und sie fuhren sie an.

6 Jesus aber sprach:

Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun;

mich aber habt ihr nicht allezeit.

8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.

9 Wahrlich, ich sage euch:

Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt,

da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

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