Herzliche Einladung zur Offenen Matthäuskirche am Sonntag, 14. März, von 10.30 bis 11.30 Uhr

Ein Impuls von Pfarrerin Ulrike Menzel

zum Sonntag Laetare am 14. März 2021

SEH(N)EN

Sehen und sehnen sind verwandt.
Gerade im Moment merken wir das sehr.
Viele unter uns sehnen sich danach,
endlich etwas anderes zu sehen,
endlich auch wieder andere Menschen zu sehen.
Die Menschen fehlen uns, die Gemeinschaft, ein Fest.
Der Gottesdienst fehlt uns, die Nähe, das „Live-Gefühl“ mittendrin und dabei zu sein.


Wir brauchen ab und an auch den anderen Blick, den Perspektivwechsel.
Wir brauchen neue Impulse für unser Denken und unseren Glauben.
Nach einem neuen Kontakt oder nach einer interessanten Begegnung
sagen wir dann vielleicht:
„So habe ich das eigentlich noch nie gesehen.“

Wir springen in die Passionsgeschichte der Bibel.
Eine große Menge tummelt sich in Jerusalem,
um dort ein großes Fest zu feiern,
das Passafest, das Fest der Befreiung aus Not und Tod, das Fest der Vergewisserung: Gott führt uns aus der Bedrückung heraus.
Viele sind gekommen, um dieses Fest zu begehen, sogar aus dem Ausland.

Und dann heißt es: Es waren auch einige Griechen da.
Die fragten sich durch und sagten:
„Wir wollen Jesus sehen“.
Warum wohl? Was mag ihre Motivation, was mag ihre Sehnsucht gewesen sein, dass sie unbedingt diesen Jesus sehen wollten? Vielleicht, weil sich herumgesprochen hatte, dass er einen toten Menschen zum Leben erweckt hat. Unglaublich aber wahr. Alle reden davon. Alle wollen mitkriegen, wer er ist, wie er ist, was er zu sagen hat. Vielleicht wissen sie gar nicht so genau, was sie erwarten, aber da ist diese tiefe Sehnsucht, Gott näher zu kommen, diese große Hoffnung, wirklich Befreiung und Perspektive für das persönlich Leben zu finden. „Wir wollen Jesus sehen.“

Einige haben ihn schon gesehen.
Auf einem Esel war er in die Stadt geritten.
Vielleicht war der Großteil der Menge da enttäuscht oder irritiert und es stellte sich nicht so wirklich das Gefühl ein: Jetzt kommt ER. Jetzt kommt der Star. Jetzt betritt der große Retter mit Glanz und Gloria die Bühne der Weltgeschichte und hält die Rede aller Reden. Nichts dergleichen passiert.
Der Star, zu dessen armseliger Geburt damals ein besonderer Stern über Bethlehem am Himmel stand, kommt auch jetzt, am Ende seines Lebens, eher armselig, leise und in sich gekehrt durch die Gassen von Jerusalem. Wir wissen, warum.
Er war schon für sein Begräbnis gesalbt worden.
Er hat schon seinen Tod vor Augen.
In Jerusalem war es schon ausgemachte Sache, dass man ihn gefangen nehmen und töten wird. Jesus geht seinen letzten Weg.

Und nun kommt endlich eine Reaktion Jesu auf die Sehnsucht dieser weit gereisten Menschen, die ihn sehen zu wollen. Er sagt: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12,24)

Der, von dem die Sehnsüchtigen Menschen das Leben erhoffen, spricht vom Tod.
Sie sehen jemanden, der sterben wird.
Kann man so Gott nahekommen?
So haben wir das eigentlich noch nie gesehen, könnten sie denken. 

Es ist genau dieser Perspektivenwechsel, den uns bis heute die Passion Jesu schenkt.
Am äußersten Punkt des Lebens, am Ende, dort, wo Jesus dem Tod ins Auge schaut, wird er verherrlicht, ist er eins mit seinem Vater im Himmel.

 

Andersherum zeigt uns dieser Weg Jesu ins Sterben auf, dass Gott selbst nicht dem Leiden ausweicht, auch nicht unserem Leiden, aus dem wir uns heraussehnen.
Er kennt unsere Sehnsucht, durch Not und Tod hindurch auf etwas Neues hoffen zu können, auf ein neues Leben, auf Ostern. Diese Hoffnung wird uns bis heute geschenkt, wenn wir auf Jesus sehen.

ein Lied zum Thema

Da wohnt ein Sehnen tief in uns,
o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst
nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.

1. Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir.
In Sorge, im Schmerz – sei da, sei uns nahe, Gott.

2. Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir.
In Ohnmacht, in Furcht – sei da, sei uns nahe, Gott.

3. Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir.
In Krankheit, im Tod – sei da, sei uns nahe, Gott.

4. Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir.
Wir hoffen auf dich – sei da, sei uns nahe, Gott.

Text und Melodie:
Anne Quigley / deutsch: Eugen Eckert

1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt.
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt.
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen,
und ihr Halm ist grün.

3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn
- hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Text: Jürgen Henkys (1976) 1978 nach dem englischen "Now the green blade rises" von John Macleod Campbell Crum 1928
Melodie: Noel nouvelet, Frankreich 15. Jh.

Predigttext für den Sonntag Laetare 2021

DIE ANKÜNDIGUNG DER VERHERRLICHUNG Jesu

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 
21 Die traten zu Philippus,
der aus Betsaida in Galiläa war,
und baten ihn und sprachen:
Herr, wir wollen Jesus sehen. 
22 Philippus kommt und sagt es Andreas,
und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. 
23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach:
Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Wenn das Weizenkorn
nicht in die Erde fällt und erstirbt,
bleibt es allein; 
wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Johannes 12, 20-24