Abschiede der besonderen Art

Ein Impuls von Pfarrerin Ursula Borchert zum Gründonnerstag 2021

Abschied - ein Abschied besonderer Art, den Jesus tat und an den wir uns besonders am Abend des Gründonnerstags erinnern. Ein Abschied, nicht wie einer on den vielen Abschieden, die wir in unserem Alltag Tag für Tag, in unserem Leben an besonderen Stationen erleben. Manchmal mit Tränen oder Melancholie, manchmal mit Erleichterung und ganz oft mit Vorfreude auf das Wiedersehen. Abschiede voller Neugier auf das Kommende, aber auch Abschiede voll Schmerz, der verstummen lässt. Erlittene Abschiede und selbstvollzogene Trennungen. Abschiede von einem Ort, von einer Lebensphase, von einer Gewohnheit. Eine Reise, eine Jahreszeit, ein Tag gehen zu Ende.

Und immer wieder Abschiede von Menschen, die für eine Zeit oder für immer von uns gehen. Jesus hat mit den Menschen, die ihm in besonderer Weise nahestanden ein Abschiedsessen gemacht. Noch einmal waren alle um einen Tisch versammelt und haben das Passamahl miteinander gehalten

 Abschied und Nähe

Abschiede sind Situationen, in denen man sich besonders nahe ist.  Wie bei jenem Passamahl.Man sitzt zusammen, redet, ist bewusster beieinander. Die Zeit ist kostbar - weil sie begrenzt ist. Und wir wissen, diese Zeit ist ein Geschenk. Wir reden über das, was sonst vielleicht ungesagt geblieben wäre. Das, was wir noch regeln möchten, soll wenigstens angesprochen werden, damit die anderen Bescheid wissen bevor man geht. Oder auch liebe Worte, die man da lässt als Wegzehrung für die Dauer der Trennung. Im Abschied liegt ein besonderes Geschenk, weil wir uns intensiver erleben als sonst. Ein letztes Wort, ein letzter Blick. Ein letztes Winken an der Tür oder aus dem Zugfenster. Beim Abschied merken wir, was wir aneinander haben. Was sonst so selbstverständlich ist, wird kostbar.  Das, was wir beim Weggehen sagen oder gesagt bekommen, vergessen wir nicht so schnell. Es sind besondere Worte, weil es Abschiedsworte sind. Die Worte Jesu, die er bei seinem letzten Mahl gesagt hat, wurden nicht vergessen. Immer wieer haben es Menschen sich daran erinnert und sie uns überliefert. Bis heute sind uns diese Worte kostbar.

Abschied als Treue und Verrat

Petrus will keinen Abschied. Er will nicht, dass Jesus geht. Und wenn es so sein muss, dann will er wenigstens bei ihm bleiben, ihm die Treue halten, komme, was da wolle. So nimmt er es sich vor.Aber dann kommt es doch anders: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Petrus hatte so gute Vorsätze, aber halten konnte er sie nicht. Verrat statt Treue. Wir verlieren uns nicht aus den Augen, ich werde dir schreiben, ich rufe dich an. Keine Sorge, wir gehen nicht verloren. Das sind unsere Versprechen, mit denen wir uns über Abschiede hinwegtrösten, die wir nicht wollen. Und dann kommt es doch anders: Aus den Augen, aus dem Sinn. Wir stecken in unserem Alltag, in unseren Verpflichtungen, dass wir doch vergessen zu schreiben oder zu müde sind für einen Anruf. Es ist nicht böse gemeint, aber so ist die Realität oft: Wir wollen ihn nicht, den Abschied, wir wollen ihm kein Recht geben, aber er nimmt sich sein Recht selbst, mit der Zeit, mit der Distanz. Petrus will keinen Abschied, er will die Treue halten, aber der Abschied bringt den Verrat.

Unbemerkter Abschied

„Bleibet hier und wachet mit mir. Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.“ So bittet JesusAber sie schlafen ein, die Jünger - verschlafen den Abschied. Sie nehmen ihn nicht wahr, weil sie ihn nicht wahrhaben wollen. Solche Abschiede gibt es auch bei uns. Ein Kind geht aus dem Haus. Eine Frau fährt auf Geschäftsreise. Ein Mann lässt im Krankenhaus einen kleinen Eingriff vornehmen. Freundinnen fahren in den Urlaub. Situationen, die wir in unserer Abschiedlichkeit nicht wahrnehmen und nicht entsprechend mit Abschiedsworten, -wünschen oder-gesten begehen. Und doch - es sind Abschiede. Manchmal wird es uns erst bewusst, wenn jemand weg ist: ‘Jetzt habe ich mich gar nicht verabschiedet’ - Oder wenn etwas schief geht, ein Unglück passiert. Dann erinnert man sich daran, wie man sich das letzte Mal gesehen hat, ohne sich richtig zu verabschieden. Und bedauert ihn, den verschlafenen, den unbemerkten Abschied.

 Misslungener Abschied

Judas hatte seine ganze Hoffnung auf Jesus gesetzt. Er hat an Jesus geglaubt. Was bisher keiner geschafft hat, Jesus würde es schaffen. Er würde der Herrschaft der Römer ein Ende setzen, würden den Armen zu ihrem Recht verhelfen. würde die Mächtigen vom Thron stürzen und das Land mit Gerechtigkeit regieren. Kein Kind bräuchte mehr zu hungern, keine Frau sich erniedrigen, kein Mann sich versklaven. Und dann das! Keine Herrschaft, sondern der Tod. Jesus liefert sich aus an die Feinde und verzichtet auf alle Macht. Diese Enttäuschung hat Judas nicht verkraftet. Das war zu bitter. Das hätte Jesus ihm nicht antun dürfen. Judas zieht Konsequenzen: Aus Wut, aus Verzweiflung, aus enttäuschter Hoffnung. Judas hat Jesus verkauft, ein Kuss für dreißig Silberlinge. Das Ende einer Beziehung. Ein Abschied voller schlechter Gefühle. Wie oft trennen wir uns im Streit. Gehen auseinander und lassen böse Worte zwischen uns stehen. Sind nicht bereit aufeinander zuzugehen, miteinander ins Gespräch zu kommen, knallen die Türen zu, ziehen die Decke über den Kopf - Abschiede voller schlechter Gefühle. Was wir bei Markus nicht finden, schreibt Matthäus. Nachdem Jesus zum Tod verurteilt war, reut es Judas. Er merkt, dass er entsetzlich Unrecht getan hat und versucht alles wieder rückgängig zu machen. Aber es ist zu spät. Die Hohenpriester wollen die dreißig Silberlinge nicht zurück. Sie schicken ihn fort. Judas wird damit nicht fertig. Er spürt, wie unumkehrbares ist und, so schreibt Matthäus, er erhängt sich. Solche Worte sind die schlimmsten. Abschiede im Streit. Abschiede, die nicht rückgängig, Worte, die nicht ungesagt zu machen sind. Abschiede voller Enttäuschung. Misslungene Abschiede.

Jesu Passamahl war ein Abschiedsmahl - und doch zugleich ein Hoffnungsmahl. Weil dieses Abendmahl nicht nur das Ende, sondern auch ein Anfang war. Jesus hat uns aufgetragen, es immer wieder miteinander zu feiern und dabei an sein letztes Abendmahl zu denken. Abschiedsmahl und Erinnerungsmahl. Immer wieder dürfen wir seiner Einladung dazu folgen auch heute – wenn auch nicht in der Kirche, sondern zu Hause - und denken an den Abschied in Jerusalem und vertrauen mit all unserer Hoffnung darauf, dass es bei Gott keinen Abschied gibt, der endgültig ist.

aus dem 14. Kapitel des Evangeliums nach Markus

Und am Abend kam Jesus mit den Zwölfen. Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten. Und sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich's? Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes,das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes.

Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Und Jesus sprach zu ihnen: Ihr werdet alle Ärgernis nehmen; denn es steht geschrieben (Sacharja 13,7): »Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen.« Wenn ich aber auferstanden bin, will ich vor euch hingehen nach Galiläa. Petrus aber sagte zu ihm: Und wenn sie alle Ärgernis nehmen, so doch ich nicht! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Er aber redete noch weiter: Auch wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen! Das Gleiche sagten sie alle.

Und sie kamen zu einem Garten mit Namen Gethsemane. Und er sprach zu seinen Jüngern: Setzt euch hierher, bis ich gebetet habe. Und er nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet! Und er ging ein wenig weiter, warf sich auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge, und sprach: Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst! Und er kam und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht, eine Stunde zu wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. Und er ging wieder hin und betete und sprach dieselben Worte und kam zurück und fand sie abermals schlafend; denn ihre Augen waren voller Schlaf, und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kam zum dritten Mal und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiterschlafen und ruhen? Es ist genug; die Stunde ist gekommen. Siehe, der Menschensohn wird überantwortet in die Hände der Sünder. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe. Und alsbald, während er noch redete, kam herzu Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Ältesten. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's; den ergreift und führt ihn sicher ab. Und als er kam, trat er alsbald zu ihm und sprach: Rabbi!, und küsste ihn. Die aber legten Hand an ihn und ergriffen ihn.