1. Sonntag nach Epiphanias - 10. Januar 2021

Ein Impuls von Pfarrerin Ursula Borchert

Zur Jahreslosung 2021: Ein Impuls für den 10.01.2021 von Pfarrerin Ursula Borchert

Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

Lukas 6, 36


10 Tage ist es alt – das Neue Jahr. 10 Tage über denen ein Vers aus dem Lukasevangelium gestanden hat, der uns das ganze weitere Jahr auch begleiten soll. Ein kleiner aber sehr wertvoller biblischer Gedanke, der uns in den Sinn kommen möchte an den 365 Tagen dieses Jahres 2021, das uns schon in den ersten Tagen gezeigt hat, vor welche großen Herausforderungen es uns stellt und stellen wird. Herausforderungen, die ganz verschieden sind und sein werden. Herausforderungen, die wir seit dem 1. Januar schon erlebt haben. Einige haben wir davon sicherlich erwartet, anderen stehen wir fassungslos gegenüber. Dass uns die Pandemie fest im Griff hat und auch vor einer Jahresgrenze keinen Halt macht, verwundert die meisten nicht. Der Ton aber, der bei uns und in anderen Ländern rauher wird, dass das eigene „Ich zuerst“ viele Situationen in unserem Alltag bestimmt und dass uns in Bildern vor Augen steht, wie menschenunwürdiges und beleidigendes Verhalten Gewalt und Hass groß werden lässt, ist entsetzlich und bringt uns aus der Fassung.


Und das ist gut so – denn wollen wir etwas dazu beitragen, dass dies sich ändert, müssen wir aus unserer manchmal sehr zurückhaltenden Position heraustreten und den Mund aufmachen, um etwas sachlich und bestimmt dagegen zu setzen – wo auch immer die ersten Anzeichen einer solchen Gewalt und Entgleisung sichtbar werden. Große Angriffe und Ausschreitungen kommen nicht urplötzlich, sondern beginnen mit dem ersten Schritt ganz real – das kennen wir auch aus unserem Alltag in Beziehungen, Familie, Nachbarschaft, u.v.m.


10 Tage ist es alt – das Neue Jahr. 10 Tage schon, an denen diese Worte aus dem Lukasevangelium uns Mut zu sprechen möchten, Gegenakzente zu setzen, wo immer wir Tendenzen wahrnehmen, die hartherzig und kaltherzig sind. Wir dürfen uns sicher sein, dass wir einer Zusage vertrauen, die von niemand anderem als Gott selbst kommt und die auch für all die noch verbleibende Zeit des Jahres gilt, an allen Tagen, in allen Wochen und Monaten.


Der Evangelist Lukas überliefert diese Worte im 6. Kapitel seines Evangeliums im Zusammenhang der Feldrede. Viele Menschen waren Gedanken und Erzählungen Jesu nicht mehre fremd. Sie hatten von Heilungen gehört und waren gekommen, um ihn selbst zu hören und von ihm berührt zu werden. Sie nahmen die Seligpreisungen wahr, dachten über die Feindesliebe nach und hörten dann diesen Satz: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ als ersten Anspruch und Zuspruch, dem weitere Gedanken zum Thema ‚Nächstenliebe‘ folgten. Barmherzig sein meint auch barmherzig werden oder wieder werden.

Das mag uns gerade in diesen Zeiten schwerer fallen als sonst, bedeutet es ja auch mit denen barmherzig umzugehen, die Entscheidungen treffen, die nicht populär sind. Barmherzigkeit üben, immer dann, wenn wir auf all die treffen, die in verschiedenster Weise und meist auch sichtbar Not leiden, scheint einfacher zu sein und von den meisten auch bejaht zu werden. Menschen zu essen und zu trinken zu geben, Gefangene besuchen, Kranke heilen, Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Verstorbene begraben – diese sieben Werke der Barmherzigkeit werden von vielen anerkannt. Mit dem, was Lukas weiter ausführt, fällt dass schon schwerer: nicht richten, nicht verdammen, einander vergeben – auch das meint Barmherzig sein und vielleicht auch wieder neu werden.



Barmherzigkeit – ein bei uns vielleicht nicht mehr allzu häufig gehörtes Wort. Vielleicht alltagsfremd oder auch ein wenig verstaubt. Stattdessen sprechen wir eher von selbstlos oder sozial.

Und dennoch klingt es anders. Barmherzig sein, Barmherzigkeit wieder neu einüben ist mehr als sozial und steht auch auf einem anderen Fundament, das stärkt und Halt geben kann.


Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.


Wir können barmherzig sein oder wieder neu werden, weil Gott mit uns Menschen barmherzig ist und wir dies schon erleben durften. Wer Barmherzigkeit mit all seinen Facetten erlebt hat, kann auch selbst barmherzig sein. Das ist ein großes, ja großartiges Geschenk! Gerade in diesen Zeiten, in denen es uns so schwerfällt, auf Liebgewordenes zu verzichten, Geduld zu haben und denen zu vertrauen, die mit hoher Verantwortlichkeit auch unbeliebte Entscheidungen treffen (müssen). Leicht fällt dies sicherlich niemandem.


Mit Barmherzigkeit im Herzen, in dem, was wir sagen, denken und tun, wird es uns aber gelingen, dass der Ton unter uns wieder weniger rau wird und die Schritte, wie wir gehen, zum Miteinander und nicht zum Gegeneinander führen.

Mit Barmherzigkeit im Herzen werden wir unseren Mund auftun können und Gegenakzente setzen und die Herausforderungen meistern – an jedem neuen Tag, in jeder Woche und jedem Monat in diesem neuen Jahr!


Möge es für alle ein gesegnetes und behütetes Jahr werden - voll Fantasie und Barmherzigkeit!

Ihre /Eure Ursula Borchert


Psalm 23

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und BARMHERZIGKEIT
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des Herrn immerdar.


Spielarten der Barmherzigkeit

Gnade vor Recht ergehen lassen

Teilen

Den Spiegel durch ein Gegenüber ersetzen

In Vorleistung gehen

Die Perspektive wechseln

Mein eigenes Glück sehen lernen

Macht abgegeben

Das Einfühlungsvermögen schulen

Sich zu den Engeln versetzen lassen

Meinen Einfluss für andere geltend machen

Es nicht übers Herz bringen, hartherzig zu sein.


(aus: Tina Willms,

Höchste Zeit für Barmherzigkeit, 2020, Seite 18)


Lied zur Jahreslosung von Daniel Drückes, Kantor der Evangelischen Gemeinde Wanheimerort


1.Wenn einer ohne Zuversicht allein durchs Leben zieht,

dann fragen wir, ob GOTT uns auch mit unser'n Ängsten sieht.

Wenn eine ohne ein Zuhaus' im fremden Land verzagt,

dann hoffen wir, dass GOTT zu ihr in dunkler Stunde sagt:

ICH bin bei Dir, verlass Dich nicht, ICH halt Deine Hand

und wenn Dich auch kein Mensch mehr sieht,

dann hab' ICH Dich doch längst erkannt!


Ref.: BARMHERZIGER VATER, so wie DU für uns bist,

so wollen wir auch zu denen sein, deren Leid am größten ist.

Wenn wir füreinander da sind und uns helfen, wo es geht,

dann können wir getrost sein, dass GOTTES REICH in uns'rer Welt besteht.


2. Wenn einer keinen Ausweg sieht und ander'n etwas nimmt,

wenn Angst vor der Veränderung das Handeln hier bestimmt,

wenn eine lügt, weil sie die Wahrheit einfach nicht erträgt,

dann ist GOTT da und hilft ihr, zeigt ihr einen neuen Weg.

ICH bin bei Dir, verlass Dich nicht, ICH halt Deine Hand

und wenn Dich and're nicht versteh'n,

dann hab' ICH Dich doch längst erkannt!


Ref.: BARMHERZIGER VATER, so wie DU für uns bist,

so wollen wir auch zu denen sein, deren Leid am größten ist.

Wenn wir füreinander da sind und uns helfen, wo es geht,

dann können wir getrost sein, dass GOTTES REICH in uns'rer Welt besteht.


3. Wenn ich mit meinen Fehlern mich selbst als Versager seh',

dann weiß ich doch, dass ich nicht ohne Hoffnung weitergeh'.

Wenn Du auch Wut und Bitterkeit für andere verspührst,

dann weißt Du doch, dass GOTT auch Dich mit SEINEN Worten führt.

ICH bin bei Dir, verlass Dich nicht, ICH halt Deine Hand

und wenn Du mal nicht weiter weißt, dann hab' ICH Dich doch längst erkannt!


Ref.: BARMHERZIGER VATER, so wie DU für uns bist,

so wollen wir auch zu denen sein, deren Leid am größten ist.

Wenn wir füreinander da sind und uns helfen, wo es geht,

dann können wir getrost sein, dass GOTTES REICH in uns'rer Welt besteht.



Hier findet sich das gesungene Lied:

https://www.youtube.com/watch?v=YsNYPwiU_vM